Die Herzog-UFA Geschichte

Disney suchte händeringend in Deutschland eine Verleihfirma, welche die Aufgaben der RKO übernehmen sollte. Da sich die UFA jedoch aufgrund ihrer kriegsbedingten Handlungsunfähigkeit nur langsam reorganisieren konnte und die Bavaria mit der AFI gerade erst einen neuen Verleih-Zweig aufbaute, musste sich Disney zunächst anderweitig umsehen. Handlungsfähig war zum einen die 1949 von Ilse Kubaschewski gegründete Gloria-Film GmbH, welche durch die hauseigene Produktionsfirma KG Divina GmbH & Co. mit dem Antikriegsfilm 08/15 (1954) eine recht gewagte Thematik im Nachkriegsdeutschland anging. Die großen Erfolge hatte Gloria eher mit Heimatfilmen wie Grün ist die Heide (1951) und später Die Trapp-Familie (1956). Kubaschewski blieb ihrer Linie der "leichten Unterhaltung" stets treu und wurde nicht selten von Kritikern dafür gescholten, den deutschen Film zu Grabe zu tragen.

Zweiter Kandidat wäre die Schorcht-Film gewesen. Kurt Schorcht hatte schon vor dem Krieg eine Karriere im Filmgeschäft aufgebaut. Sein Verleiherring wurde jedoch 1941 von den Nazis verstaatlichet, Schorcht selbst verlor 1945 seine gesamten Besitzungen. Nach dem Krieg begann ein Neuaufbau in München mit Zweigstellen in den drei Westzonen. 1947 erhielt er die amerikanische, 1948 die britische und französische Verleiherlizenz. Schorcht, der nie der NSDAP beigetreten war, verstand sich als Pazifist und brachte besonders anspruchsvolle Filme heraus, die aufgrund produktionsbedingter Vorfinanzierungen nicht selten zu ökonomischen Verlusten führten. Die Kino- und Filmkrise zwang Schorcht später, 1957, zum Verkauf an die Bavaria. Dort trat er dem Aufsichtsrat bei.

Zwischen leichter Muse und hohem Anspruch gliederte sich der dritte Kandidat ein, die von Herbert Tischendorf geleitete Herzog-Film. Bereits 1932 gegründet, baute er sein Unternehmen 1950/51 in München neu auf mit Zweigstellen u.a. in Frankfurt. Mit dem Verleih des ersten deutschen Farbfilms der Nachkriegszeit, Schwarzwaldmädel (1950) gelang ein großer Erfolg und leitete das Ende des "Trümmerfilms" hin zum Erfolg des deutschen Heimatfilms ein. 1951 legte Herzog nach mit dem Skandalfilm schlechthin: Die Sünderin mit Hildegard Knef. Tischendorf verfolgte eine Politik, die sowohl leichte Kost als auch Anspruch berücksichtigte. Um 1953 hatte Herzog-Film in Sachen Verleih die Nase vorn - Gloria-Film sollte ihn erst später überholen. Die Beinhaltung eines eigenen Synchronstudios war dann wohl der letzte Punkt, der Disney dazu bewog, mit Tischendorf eine Allianz einzugehen, wenngleich es durch die Formierung der späteren Simoton synchrontechnisch anders kam. Mit Eine Prinzessin verliebt sich startete Herzog am 28. Januar 1954 in den deutschen Kinos, danach folgte Die Wüste lebt, der einstige "Zankapfel" zwischen Disney und RKO.

  


Diese Allianz sollte allerdings nicht von Dauer sein, denn in der deutschen Filmlandschaft brodelte es. Hinter verschlossenen Türen von UFA und Bavaria wurden Pläne geschmiedet, den deutschen Film schnellstmöglich wieder auf die Beine zu stellen. In dieser Aufbruchstimmung, die später als "Wirtschaftswunder" verklärend in die Geschichte einging, ging es allerdings oft eher wundersam als wundervoll zu. Unsachgemäßer Umgang mit Treuhandvermögen, verantwortungslose Kreditaufnahmen und Steuerverschwendungen machten die ganze Angelegenheit auch zum Thema der Politik. In einer Sitzung des bayrischen Landtages vom 5. Februar 1953 echauffierte sich Prof. Dr. Josef Baumgartner (Bayernpartei) über die untragbare Finanzwirtschaft der Filmindustrie. Menschen, die mit einer GmbH Konkurs anmelden und sich noch am selben Tag als Inhaber einer neuen GmbH präsentieren, verurteilte er als Bankrotteure. Der 1949 von den Alliierten eingesetzte Betriebswirt
Arno Hauke deckte zwar Anfang der 50er Jahre den großen Treuhand-Skandal der UFA auf, ging jedoch als nun angetretener Chef der UFA-Dachgesellschaft UFI auch nicht gerade zimperlich damit um, die Filmgesellschaft wieder profitabel zu machen. Letzten Endes fuhr Hauke die UFA mit seiner Expansionspolitik an die Wand. 5,4 Millionen DM Verlust war Grund genug, ihn 1960 vor die Tür zu setzen. Die ganze Geschichte über ihn kann man u.a. bei Wikipedia nachlesen. Hier geht es nur darum, dass es Hauke, dessen eigene, 1953 gegründete Produktions- und Vertriebsfirma Capitol-Film GmbH bereits nach zwei Jahren pleite machte, nicht davon abhielt, im Anschluss für rund 3 Millionen DM den Herzog-Verleih der UFA zu überführen. Herbert Tischendorf machte damit das beste Geschäft des gesamten deutschen Nachkriegsfilms und Disney musste sich damit abfinden, temporär eine vertragliche Verpflichtung mit der UFA einzugehen. Ein Jahr vor Haukes Rauswurf hatte sich Disney bereits mit der britischen J. Arthur Rank Film geeinigt und im Verbund mit Simoton nun dem deutschen Filmverleihwesen den Rücken gekehrt.


Die Wiederaufführung von Schneewittchen erfolgte im Dezember 1957 noch von der Herzog-Film, obwohl die UFA bereits im Oktober das reguläre Disney-Programm übernahm. Innerhalb dieser Übergangsphase kam es vor, dass z.B. auf Plakaten und Werbematerial gar keine Verleih-Angaben abgedruckt wurden, weil das Copyright des bekannten UFA-Logos dies unterband.

weiß - Disney-Trickfilmproduktionen
grün - Disney-Realfilm-Produktionen [Man in Space beinhaltet zu über 50% Trickanteile]
PaP
- Aus der Reihe "People and Places"


Filmtitel Prod.Jahr Kinostart Disney Beiprogramm Originaltitel
HERZOG-Film
Eine Prinzessin verliebt sich 1953 28.01.1954 Hiawatha Junior Little Hiawatha
Die Wüste lebt 1953 Sommer 1954 Ben und ich Ben and me
Rob Roy - Der königliche Rebell 1953 22.10.1954 ???? ????
Wunder der Prärie 1955 11.07.1955 Land und Leute: Siam PaP: Siam
20.000 Meilen unter dem Meer 1954 20.01.1956 Tuut, Didel, Schrum und Brum Toot, Whistle, Plunk and Boom
Davy Crockett, König der Trapper 1955 03.08.1956 Nick der Schäferhund Arizona Sheepdog
Geheimnisse der Steppe 1955 17.08.1956 Land und Leute: Sardinien PaP: Sardinia
Susi und Strolch 1955 14.12.1956 Land und Leute: Schweiz PaP: Switzerland
Eine Welt voller Rätsel 1956 Sommer 1957 Der Mensch im Weltraum Man in Space
Der kleine Rebell 1955 29.10.1957 Unternehmen Arktis Men against the Arctic
Schneewittchen 1937 11.12.1957 ???? ????
UFA
(Davy Crockett und die) Flußpiraten 1956 03.10.1957 Pumajagd in Mexiko The Wetback Hound
Der kleine Rebell 1955 29.10.1957 Land und Leute: Die blauen Männer von Marokko PaP: The blue men of Morocco
Zug der Furchtlosen 1937 15.11.1957 Land und Leute: Samoa PaP: Samoa
In geheimer Mission 1956 21.03.1958 Land und Leute: Unternehmen Arktis PaP: Men against the Arctic
Perris Abenteuer 1957 31.10.1958 Niok der Elefant Niok, the orphan elephant
Sein Freund Jello 1957 31.10.1958 Die Navajo Indianer Navayo Adventures

Dies sind Kurzfilme, die als Beiprogramm liefen oder zumindest dafür eingeplant waren. Aufgrund unzureichender Daten ist eine genaue Zuordnung (noch) nicht möglich; die Kinostartdaten beruhen auf vagen Indizien oder Vermutungen. Sicher ist nur, dass sie alle von der Simoton-Film eingedeutscht wurden.
Prowlers of the Everglade 1953 1954/55 Vagabunden im Tierreich Herzog-Film
Stormy, the Thoroughbred 1954 1955 Sturmvogel - Das Vollblutfohlen Herzog-Film
PaP.: The Alaskan Eskimo 1953 1956 Land und Leute:
Eskimos in Alaska
Herzog-Film
PaP.: Lapland 1958 1958 Land und Leute:
Lappland
UFA

Die Herzog-Synchros

Das große Synchron-Schmankerl aus der Herzog Zeit ist natürlich die deutsche Fassung von Ben and me / Ben und ich. Disneys 1953 erstellter Kurzfilm über den Lebensweg Benjamin Franklins und einer Maus, die die Geschichte Amerikas veränderte, gehört zu den besten Featurettes aus dem Hause Disney. Mit Walter Suessenguth als Ben Franklin und Wolfgang Spier als Amos Maus ist auch die deutsche Version eine Wucht. In weiteren Rollen: Hans Hessling und Erich Kestin als Touristenführer und (vermutlich) Paul Edwin Roth als Thomas Jefferson. Die Originalversion inklusive deutscher Herzog-Titelkarten kann von Sammlern auf der VHS Micky, Donald und Goofy im Märchenland ergattert werden. Auch Super-RTL brachte von Zeit zu Zeit im Special Disneys wackere Helden noch die unveränderte Version.

  

Auf der DVD Zauberhafte Märchenwelt Vol. 3 wurde die Disney-TV Version aus den 60er Jahren verwendet, in welcher der Anfang durch zusätzliche Szenen (Bild rechts) aufgestockt wurde (siehe auch hier). Liebenswerterweise wurde Wolfgang Spier zum Nachsynchronisieren nach gut 50 Jahren (!!) dafür noch einmal ins Studio geholt. Dafür ging leider bei der Bearbeitung ein Teil der alten Synchro am Anfang und Ende verloren. So sind Hessling und Kestin hier nicht mehr dabei. Natürlich ist auch der Altersunterschied bei Spier deutlich zu hören.





Bei "Goofy"-Peters ganz persönlichem Steckenpferd
Little Hiawatha (hier Hiawatha Junior)
liegt der Fall genau anders herum. Wie später in Mit Pauken und Trompeten, so wurde bereits die Einzelaufführung um das Abenteuer von Klein Adlerauge rein instrumental (ohne Erzähler) gezeigt. Eine deutsche Fassung wurde erst um 2001 in den Blackbirds-Studios von Andreas Hommelsheim erstellt. Der Erzähler ist Lothar Blumhagen.

Für den Cinemascope-Breitbildfilm 20.000 Meilen unter dem Meer lief in den USA, wie bereits erwähnt, Grand Canyonscope mit Donald Duck. In Deutschland ersetzte man den Cartoon mit der musikalischen Nummer Toot, Whistle, Plunk and Boom, ebenfalls in Cinemascope. Als Tuut, Didel, Bum und Brum betitelt, sprach hier "Asterix" Hans Hessling die Eule als Musikprofessor. In die Rolle eines "neunmalklugen" Nachtvogels schlüpfte er noch zwei weitere Male, 1964 als Archimedes in Merlin und Mim und 1973 in der Zweitsynchro von Bambi. Die Synchro ist im offiziellen Handel nicht erhältlich. Auf der ersten DVD-Auflage von Fantasia 2000 (blaues Cover) ist eine Neusynchro enthalten (Titel: Die Musikstunde); hier wird die Eule von Dieter Kursawe gesprochen. In der Zweitauflage (violettes Cover) wurde das Featurette bereits wieder getilgt. Der erste Cartoon der Reihe Adventures in Music mit dem Namen Melody lief bereits 1954 als Beiprogramm der RKO (siehe Liste), es ist allerdings nicht geklärt, ob dieser damals synchronisiert wurde. Auf eine deutsche Veröffentlichung wartet man bis heute vergeblich.