Die
Disney-Synchronisationen im Vergleich
Teil 4 : Mythen, Legenden, deutsch-amerikanische Sprach-Feindschaft Arielle und andere Grausamkeiten |
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Den Film Arielle die Meerjungfrau sollte man innerhalb dieser Thematik ganz für sich alleine betrachten. Dass die erste deutsche Fassung seinerzeit noch auf VHS-Medien erschien, macht die Sache ohnehin zu einem besonderen Einzelfall. Zum anderen trennen die beiden deutschen Synchronisationen kaum zehn Jahre, was den Begriff "klassische Fassung" im Vergleich zu anderen Neubearbeitungen hinfällig werden lässt. Auch der Terminus "Verniedlichung / Verharmlosung" findet hier nicht statt. Im Gegenteil, unter dem Sezierauge hat die zweite Fassung hier und da sogar eine erwachsenere Sprache anzubieten. Doch ein akribisch genauer Dialogvergleich lohnt kaum. Ob Arielle ihre Schätze nun Plunder / Klimbim oder Schnickschnack / Dingsbumse nennt oder Ursula ihre toten Handlanger als Schnuckiputzies oder Pupsies beweint (letzteres sagt sie auch im englischen Original), fällt hier weniger ins Gewicht. Auch der US-Dialekt von Ron Williams als Sebastian spiegelt in gewisser Weise die Afro-Sprachfärbung der Originalstimme von Samuel E. Wright wider. Tja, worüber soll man sich dann überhaupt beschweren ? |
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Arielle die Meerjungfrau Kommen wir jedoch zunächst zu der immer wieder interessanten Frage : Wozu überhaupt das Ganze ? Grund 1, die Tilgung alter Sprachfärbungen, kann man, wie oben erwähnt, in diesem Fall ausschließen. Also vielleicht Grund 2, der Verlust der Rechte an der ersten Fassung und damit verbundene finanzielle Mehrkosten (ein äußerst hartnäckiges Gerücht). Entschuldigt bitte, dass ich hier einmal laut lachen muss, aber ein Multimillionen Dollar Konzern, der von Anfang bis Ende der Produktion totale Kontrolle über sein Projekt hat und wohl nicht einmal einen Alan Menken aufs Klo gehen lassen würde, ohne ihn vorher über die Hygienevorschriften zu belehren .. (Luft hol) ..., so ein Konzern soll die Konzession an einer Synchronfassung verlieren ? Finanzielle Mehrkosten ? Also wirklich ... Dann wäre da noch die Geschichte mit dem Dolby-Surround, der 1998 beim Neustart von Arielle als Zugpferd die Zuschauer erneut ins Kino locken sollte. Das klingt schon weitaus plausibler, erklärt es zudem auch die vielen Neusynchronisationen anderer Länder. Dass Disney dagegen seine eigene US-Fassung wiederverwendete, ließe sich auch nachvollziehen, hat doch die Firma mit seinen Masterbändern ganz andere technische Möglichkeiten von Aufarbeitung und Abmischung. Nach dem Interview mit einem Verantwortlichen, der es eigentlich besser wissen sollte, wurde mir jedoch nur Version 4 (wie immer der offizielle Standardgrund) aufgetischt : die deutschen Master waren nicht mehr zu gebrauchen. Aha, deutsches Tonmaterial wird also derart schlecht gelagert, dass bereits nach knapp neun Jahren nur noch die Mülltonne in Frage kommt !??! An höherer Stelle wollte ich mir endgültig Gewissheit verschaffen. Das Endergebnis war, dass eben diese Stelle meine Homepage lahm legte und mich für einige Zeit ins Exil schickte. Was soll ich zu dieser Reaktion sagen ? Disney legt anscheinend viel Wert darauf, seine Politik Fremden nicht zu unterbreiten. Damit darf also fröhlich weiter spekuliert werden .... selbst Schuld ! |
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Wir sind beim Stimmenvergleich angekommen, und : ja natürlich, hier finden sich in Edgar Ott (1998 bereits verstorben), Jürgen Kluckert und Joachim Kemmer Sprechtalente, die nur schwer zu ersetzen sind. Doppelt schwer wiegt die Tatsache, dass Otts legitimer Nachfolger Kluckert in der Neubearbeitung nicht zumindest eine der beiden für ihn in Frage kommenden Rollen (Triton / Scuttle) wieder eingesprochen hatte. Vor allem die verrückte Möwe setzte er im Original exzellent in Szene. Platt dagegen Hartmut Neugebauer in dieser Rolle wie auch Jochen Striebeck als Triton. Die Arielle Damenauswahl der Neufassung verwandelt auf Kosten der Stimmgleichheit von Sprache und Gesang aus dem quirligen Teenager eine gereifte Frau von geschätzten 24 Jahren. Doch die ganz herbe Kritik bekommt, trotz der oben erwähnten Authentizität, Möchtegern-Sternchen Ron Williams für sein Verwirken in der Hauptrolle der Krabbe Sebastian. Mehr als einmal muss man mehr als zweimal (!!) hinhören, um in dem faulen Ami-Slang das Gesagte zu verstehen ... wirklich sehr kinderfreundlich ! Dann doch lieber die Anglizismen der ersten Version wie Daddy (später Vater) oder Percussions (später Schlagzeug). Was nicht heißen soll, dass auch die Neusynchro völlig anglizismenfrei ist. Dann wäre da noch, wie immer, die
Sache mit der Textübersetzung ins Deutsche an sich. Auch hier behauptete die Werbepresse
ihrer Zeit eine deutlichere Nähe der Neufassung am Original. Großer Käse, wenn ich es
mal so salopp formulieren darf. In Zahlen ausgedrückt schätze ich Synchro 1 auf 80%,
Synchro 2 dagegen nur auf 50% Textgleichheit, was sich besonders in den Songs
niederschlägt. Und so wären wir bei dem wirklich schlimmsten Fiasko innerhalb der
Neubearbeitung von 1998 angelangt : die Musik. Unter anderem schaffte es z.B. Beate
Hasenau, die Ursula in beiden Fassungen spricht, im Finale von Seelen
in Not nicht in die höheren Tonlagen. Victor von Halem konnte dem Sidekick-Koch
Louis mehr "Gewicht" beimessen als der ebenso flachadlige, gesanglich aber
weniger talentierte Walther von Hauff. Auch Williams, dem ich ja nicht unbedingt ein
gewisses Gesangstalent absprechen möchte, beweist durch das Herunterschlucken von Würze
gebenden Halbtönen in Küss sie doch seine
Einfallslosigkeit ... da hätte man ja gleich Roberto Blanco nehmen können. So etwas
erinnert mich immer an Arlo Guthries City of New Orleans und die "Harmlosversion" von Rudi Carells Wann wird's mal wieder richtig Sommer.
Kleinkariertes Denken von mir ? Ich finde, dass gerade solche Detailliebe Disneys Filme
immer erst zu Meisterwerken werden lässt, und die Missachtung dessen genau den
gegenteiligen Effekt erzielt. Es geht hier immerhin um Oscar-prämiierte Musik und nicht
um das Backgroundgedudel einer GZSZ Folge. |
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Original - das ewig leidige Thema Synchronisierte Filme sind keine Originale mehr, das sagte ich ja bereits im Vorfeld. Doch gibt es im Filmgenre eigentlich Originale ? Berechtigte Frage, wie ich finde. Ein Film liegt im Entstehungsprozess irgendwo zwischen einem Werk der Literatur (das nach seiner Herausgabe selten verändert wird) und der äußerst flexiblen Branche der Populärmusik mit ihren ganzen Remix-Versionen. Und, lässt man dabei einmal Fellini oder Ingmar Bergman außer Acht, ist ja eh alles nur Unterhaltung. Es wird also fröhlich geschnippelt, gekürzt, gestreckt, remastert, eingeblendet, ausgeblendet, übertüncht, director-gecuttet und was weiß ich nicht noch alles. In diesem Dschungel der industriellen Narrenfreiheit wird es dem Hobbycineasten von heute recht schwer gemacht, seiner Liebe zur höchstmöglichen Authentizität zu frönen. Die Zahl der Disney-Features, die in ihrer ursprünglichen Kinoform noch auf deutschen Kaufmedien existieren, liegt, ohne die alten Synchronfassungen mit einzuberechnen, bei etwa 60%. Neue Stimmbearbeitungen drücken den Wert noch einmal drastisch herunter. Schade, dass unsereins, die auch im Älterwerden die Freude an Disney nicht verlieren werden, unsere kindliche Naivität nicht auch auf diesen Punkt einsetzen und wegsehen können. Infantilismus, der ewige Feind des Kommerz !! Mit den deutschen Einleitungen zu Disneys Meisterwerk Cinderella, und damit dem schrecklichsten Beispiel überkontinentaler Grenzverdummung, schließe ich hier. |
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