Fans und ihr Medium
oder: We're not only in it for the money

hier könnte IHR Plug-In stehen

Vorwort: Eigentlich sollte dies nur ein kleiner Artikel werden über einen deutschen Songtext aus dem Film Bambi, der von mir auf 1967 datiert wird und damit beweist, dass es auch eine alte deutsche Synchro von Bambi MIT deutschen Songtexten gibt. Nach mehreren Ansätzen ist nach und nach jedoch dieser Artikel entstanden.

 

Die Industrie ist eine kalte Welt. Sie frönt dem Kommerz und der Globalisierung, rationalisiert sich gesünder als sie es nötig hat und jammert dennoch ständig über den drohenden Verfall der Marktwirtschaft. Das gemeine Volk musste sich seit dem Niedergang des Webstuhles den ständigen Erneuerungen und Veränderungen anpassen, um nicht unter die Räder zu gelangen. Um sich selbst einen geistigen Schutzwall gegenüber dieser grausamen Welt zu schaffen, sucht Mann und Frau Zerstreuung in Freizeitaktivitäten und der Kunst, letzteres auf durchaus unterschiedliche Weise. Die einen erfreuen sich über ein Gemälde eines Henri Matisses, das sie für immenses Geld bei Sotheby's ersteigern oder gehen in ein Konzert, in dem eine von Beethovens Sinfonien dargeboten wird. Weniger Betuchten gelingt dies auch mit einem Album der Beatles oder Led Zeppelin, einer Lieblings-Fernsehsendung, die nach Jahren wiederholt wird oder einem nicht altern wollenden Film. Ja, selbst eine Bierzeltparty kann mithilfe der Musik Wolfgang Petrys einen Moment des Glücksgefühls erringen, denn alle aufgezählten Beispiele haben den selben entscheidenden Faktor : das Bleibende. Der Mensch hat ein tiefsitzendes Bedürfnis nach einem Moment des Stillstandes, in dem er sich im Geiste eine Zeit zurück holen kann, die vielleicht schon längst vergangen ist. Vor Veränderungen kann sich niemand schützen, weder die ältere Dame, deren eigene Kinder immer größer werden, noch der Filmenthusiast, wenn er vom Tode Peter Ustinovs erfährt. Doch die ältere Dame hat ihre BLEIBENDEN Familienfotos und der Fan seinen Film. Was ist nun, wenn auch hier die Industrie in solch bleibende Werte eingreift ? Was, wenn Filme verändert werden oder in Archiven verschwinden ? Was, wenn Datenträger von Elvis Presley über Herbert von Karajan bishin zu Filmen wie Schneewittchen dermaßen tot-remastert werden, dass die gerade so kitzelnden Höhen, Tiefen und Farben im digitalen Niemandsland auf immer verschwinden ? Das wäre so, als ob man den Kindern auf den Fotos der älteren Dame Bärte aufmalen würde mit der Begründung : "Das trägt man heute so !"

Irgendwo zwischen Wolfgang Petry und Herbert von Karajan stehen Menschen wie ich. Wir suchen den Stillstand der Zeit in Bildern, Worten und Tönen einer Zeit, in der wir selber aufgewachsen sind. Und oft auch riskieren wir den Blick in Zeiten, die noch vor unserer Entstehung gewesen sind, in denen wir grandiose Schöpfungen einer längst verronnenen Schaffensphase freudestrahlend betrachten können. Auf eine Radiostation, welche die Lieblingspassage eines Lieblingssongs von U2 herausschneidet, um die durchschnittliche Sendezeit von zwei Minuten nicht zu überschreiten, reagieren wir hasserfüllt. Man kann sich ja die entsprechende CD kaufen und das Radio ausschalten. Doch wie schaut es aus mit einem Filmklassiker wie Krieg der Sterne, der in seiner runderneuerten, von computergenerierten Sequenzen gestreckten Form nicht jedem gefallen mag ? Es bleibt hier schon nur noch der Weg über kommerzgeile Internetauktionshäuser, bei denen man zumindest die gute alte VHS Version zu erhaschen versuchen darf. Und so verringern sich von Beispiel zu Beispiel die Chancen immer mehr, seine Liebe zu BLEIBENDEN Werten auszuleben. Irgendwann helfen weder Geld NOCH gute Worte, ein Stück glorreiche Vergangenheit zu bewundern. Um mich zu wiederholen, niemand kann sich vor Veränderungen schützen. Natürlich überarbeitet ein George Lucas seine Filme nicht böswillig und auch die Radiostationen sind ihren marktwirtschaftlichen Gesetzen unterworfen. Es regiert das Gesetz des Geldes; Lucas verdient sich an seinen Re-Releases dumm und dusselig und wir bezahlen mit unserem sauer verdienten Geld den Erhalt unserer Träume.

Die industrielle Welt hat kein Bedürfnis nach sogenannten Werten. Sie produziert DVDs in einer vorher genauestens kalkulierten Menge, von der sie (die Industrie) weiß, dass sie blind gekauft wird. Sie produziert diese DVDs genau so, wie sie Häuser baut ... sterile Häuser und Brücken mit einem Mindestmaß an Baumaterial, in der Hoffnung, sie mögen wenigstens ein PAAR Jahre halten, bis das Geld für den Abriss und das nächste Gebäude zusammen erwirtschaftet ist. Vom gewonnenen Profit fahren die Bosse mit ihren Frauen nach Ägypten und schauen sich ehrfurchtsvoll die Pyramiden an. Unsereins sitzt in diesen errichteten Häusern und schaut sich ehrfurchtsvoll die Pyramiden im Fernsehen an, wenn nicht das TV Gerät kurz nach Ablauf der Garantie implodiert, weil es nur mit einem Mindestmaß an Baumaterial ... aber ich wiederhole mich schon wieder.

All diese Gedanken fuhren mir durch den Kopf, als ich neulich wieder einmal das Glück hatte, die alte Synchronisation von Susi und Strolch betrachten zu dürfen, eine Bearbeitung, die, lassen wir mal den Nostalgiefaktor beiseite, keinen aber auch GAR KEINEN Grund zur De-Restaurierung in sich barg. Keine Worte oder Satzpassagen, die in irgendeiner Weise rechtfertigen, sich einer fortschreitenden Sprachkultur zu unterwerfen. Statt dessen nur liebevolle und warme Dialoge voller Charme. Beim Weihnachtslied Friede auf Erden am Anfang des Streifens war ich so ergriffen, dass ich die Tränen in den Augen spürte (und mir passiert so was in der Tat sehr selten). Was bewegt eine Industrie dazu, einer kommenden Generation solch ein Kleinod vorzuenthalten und einen leider viel zu kleinen Kreis von Kennern mit ihrem Amélie-Poulain'schen Auge für das geliebte Detail derart zu vergrämen ? Geldhunger ? Ignoranz ? Dummheit ? Warum muss in Aladdin das Wort Mauser gegen Federn verlieren ausgetauscht werden ? Warum wird ein wähnendes Kinderpublikum mit der Erklärung, Aschenputtel heiße im Englischen Cinderella, von vornherein für blöd verkauft ? Und warum klingt angeblich der US-Akzent eines Ron Williams als Krabbe Sebastian denn soviel besser als ein Joachim Kemmer, der immerhin mit einer Humphrey Bogart Passage wirklich ein Stück Kulturgut geschaffen hat ? War es denn im Beispiel Susi und Strolch der stark überzogene österreichische Dialekt der Hundedame Peggy, die diesen speziellen Schritt rechtfertigte ? Was ist dann mit all den deutsch-österreichischen Produktionen der Vor- und Nachkriegszeit, in denen es vor längst veralteten Ergötzungen wie "fürwahr", "heuer" und "immerdar" nur so wimmelt ? Wenn Profisprecher wie Thomas Danneberg und Stefan Gossler zwei Elchen im Disney-Meisterwerk Bärenbrüder zu einem norwegischen Akzent verhelfen können, schafft es ein Team aus Mogens von Gadow und Jürgen Thormann mit Sicherheit auch, Hans Moser und Theo Lingen eine Frischzellenkur zu verpassen. Oder nehmen wir doch gleich Jörg Knörr, damit die Promisynchro gesichert ist. Doch HALT, jetzt bewegen wir uns ja auf dem gefährlichen Pfad der DEUTSCHEN Kultur. Jener großartigen Kultur, die Menschen wie Goethe und Schiller hervorgebracht hat, die hierzulande teilweise wie selbstverständlich eine Shakespeare-artige Götzenanbetung erfahren. In einem immer mehr verdummenden Land, in dem neue Rechtschreibreformen eben diesen Dummen angepasst wird und die letzten Großen dieser Nation wie Günter Grass auf die Barrikaden treibt; in einem Land, wo rhetorisch versierte B-Stars wie Erkan, Stefan und Kaya die deutsche Sprachentwicklung stetig vorantreiben und auch einer Verona F. nein P. noch geholfen können wird, bis irgendwann auch der letzte Schüler sogar das Wort Rrrichtich falsch schreibt.

Die deutsche Kultur wurde während des Zweiten Weltkrieges von Herrn H. und seinen Mannen sythematisch ins Mittelalter zurück geschleudert und wird sich auch noch in 200 Jahren nicht von dieser Katastrophe erholen. Es war jener Herr H., der sich zu Weihnachten von Herrn G. heimlich Micky Maus Filme schenken ließ und gleichzeitig nach außen hin propagierte, dass sich nur in einem verkommenen Land ein Herr D. ein Imperium durch eine dreckige Maus aufbauen konnte. Ich habe den starken Verdacht, dass diese Ansicht bis heute im Bewusstsein der Deutschen inne haftet. Andere Länder, die übrigens von Schiller noch nie etwas gehört haben und gerade noch so den Faust mit Goethe in Verbindung bringen (Zitat : Ottfried Fischer), konnten sich weitaus freier weiter entwickeln. In den Benelux-Ländern entstand eine Comic-Kultur, die als Kunstform akzeptiert wurde, in Japan lesen Männer auf dem Weg zur Arbeit ihren täglichen Manga (wo es bei uns nur zur Axel Springer Presse gereicht) und ein Walt Disney schuf mit Farbe und Zelluloid eine bis Dato unerreichte Kunstform, für die er mehr als einmal sein letztes Hemd opferte. Das alles kann der durchschnittliche, im kulturellen Nirgendwo erwachsene Deutsche niemals begreifen. Die wenigen, die es zumindest versuchen, stehen einer unüberwindbaren Mauer aus Ignoranz und Spott gegenüber. Doch es sind auch jene Ignoranten und Spötter, die mit Bambi und dem Dschungelbuch wunderbare Kinderträume erfuhren, und nicht zuletzt, wenn auch unbewusst, durch großartige deutsche Synchronisationen und Künstler wie Alfred Balthoff, Heinz Engelmann, Marion Degler und Friedrich Schoenfelder ihren Sprachschatz verbessern durften. Nirgendwo sonst, außer in guten Büchern, wird und wurde ein so herrlich, klares und ausgearbeitetes Deutsch benutzt wie in unseren so gut synchronisierten Spielfilmen, nicht in der Grundschule, nicht in GZSZ und nicht einmal im deutschen Bundestag ... naja vielleicht noch in der Tagesschau ... man vergleiche beim Hang zur Ungläubigkeit die Volker Schlöndorff Verfilmung Die Blechtrommel, Wolfgang Petersens Das Boot oder einen Werk von Rainer Werner Fassbinder (ist egal welches).

Erinnern wir uns irgendwann zurück an diese ganze Thematik, wenn einmal aufs Neue ein Kandidat bei Günther Jauch eine Runde weiter kommt, weil er durch sein gewonnenes Halbwissen aus Asterix-Heften eine Geschichts- oder Lateinfrage beantworten kann, mit 16.000 € nach Hause fährt und am nächsten Tag im Reisebüro anruft, um eine Woche Ägypten zu buchen zur Erfüllung seines Lebenstraumes : Pyramiden anschauen !!!!!


Dieser (leider nicht vollständige) Songtext stammt aus dem Special Disneys Valentins Fest (orig. 1982/1983), in dem,
wie in den meisten dieser Specials, Bambi-Ausschnitte stets mit der alten deutschen Synchro zu hören sind.
Es handelt sich hierbei um die deutsche Wiederaufführung von Bambi aus dem Jahre 1967,
im dem zur alten Synchro auch die Liedertexte eingedeutscht wurden.

Ich sing Dir ein Lied, ganz allein nur für Dich
Du bist alles für mich, Dir gehört meine Liebe
ich sing Dir ein Lied, für die Stunden mit Dir
für die Liebe in mir, denn nur Du bist mein Glück

Das Leben ist schön und die Welt gehört uns ganz allein
lass uns tanzen, lass uns glücklich sein, weil wir zwei uns versteh'n
das Leben ist schön, diese Nacht zieht uns in ihren Bann
und die Vögel, sie fliegen voran auf dem Weg in den Wald
(wir beide gemeinsam, nur wir)

Ich sing Dir ein Lied, ganz allein nur für Dich
Du bist bei mir und mein Herz schlägt für Dich
der Morgen graut, schenkt uns ein warmes Licht
und uns're Herzen, sie sagen: "Ich liebe Dich"

 

 

Schlusswort : Dieser emotionale Auswurf wurde unter strengster Missachtung der neuen deutschen Rechtsschreibung erstellt, denn MEIN erlerntes Deutsch, auf das ich sehr stolz bin, hat für mich bis zum Lebensende einen BLEIBENDEN Wert.

 

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