Edi geht über Leichen! Einem guten Freund von uns fiel letztens beim Aufräumen ein kleiner Schatz in die Hände. Nebenbei bemerkt glaube ich langsam, bei diesem Mann ähnelt die komplette Wohnung in etwa Goofys Dachboden, auf dem ja auch immer wieder irgend ein unglaublicher Schnickschnack ans Tageslicht gelangt. Hier handelte es sich nun um ein deutsches Presseheft, das zur Veröffentlichung von Bambi im Jahre 1950 heraus gegeben wurde. In einem kleinen Abschnitt ging man dort auch auf ein paar der deutschen Sprecher ein. Neben Friedel Schuster, Georg Thomalla und Michael Günther wurde auch "der Sohn von Otto Gebühr" erwähnt, der hier als Hase seine ersten zaghaften Schritte im Filmgeschäft wagte.
Oha, ein Hase. Doch nicht etwa DER Hase? Na das wäre ja ein Klopfer, im wahrsten Sinne des Wortes. Demnach wäre Gebühr Junior dann auch das Pinocchio gewesen? Und dann auch noch der Sohn des Staatsschauspielers Otto Gebühr (1877-1954), eine der großen Legenden deutscher Filmgeschichte. Hatten wir uns in Karl Heinz Schenk doch so geirrt ? Wohlgemerkt, die Identifizierung von Kinderstimmen ist wahrhaftig ein garstig Ding. Ich ging also frisch ans Werk und fing zu recherchieren an: Zweifellos hatte Michael Gebühr, so sein richtiger Name, später auch einige Kinderrollen in Filmen sowohl selbst gespielt als auch hinter dem Mikro verdeutscht. Klang ja recht hoffnungserweckend ....
Schleswig ist nebenbei bemerkt nur einen Katzensprung von meiner Heimatstadt entfernt. Mich selbst haben diese schaurig schönen Vitrinen-Toten schon als kleiner Bub fasziniert; angeschaut habe ich sie mir bestimmt schon zehn mal. Dass die nette Stimme meiner alten Pinocchio-Hörspielplatte vielleicht gerade nebenan 2000 Jahre alte Knochen begutachtete, konnte ich doch nun wirklich nicht ahnen .... Ich schichte also einen Brief an den berühmten Archäologen aus meiner Nachbarschaft und schwelgte bereits in fiktiven Besetzungsträumen, die sich da anbahnten. Mein Partner ging noch einen Schritt weiter, er hielt in Gedanken quasi schon eine originale Regieanweisung von Bambi in den Händen, die natürlich in des Professors Privatsammlung vor sich hin schlummert .... Na ja, am Ende kam, oh Wunder, die Ernüchterung. Bereits einen Tag später klingelte mein Telefon. Zusammengefasst erklärte mir der sehr sympathische Mensch, dass er lediglich eines der vielen kleinen Häschen sprach. O-Ton: "In einer Schar von ca. 100 Kindern, zu denen auch eine gewisse Nina von Porembsky* gehörte, hatte ich lediglich ein kleines "Hopp Hopp Hopp" abzuliefern und war später im Kino etwas enttäuscht, diesen Take nicht einmal wieder zu entdecken. Für Pinocchio wurde ich später zwar zum Casting geladen, konnte die Rolle jedoch nicht ergattern. Wer sie letzten Endes bekam weiß ich nicht mehr, das ist dann doch schon zu lange her." Anmerkung: Der Mann muss damals so um die 9 Jahre jung gewesen sein. Ein paar weitere nostalgische Erinnerungen später endete sowohl das Gespräch als auch meine Hoffnung auf ein wenig mehr Licht im Dunkeln. Die Geschichte hatte jedoch auch ihr Gutes, weiß ich doch jetzt, dass meine Adrenalin-Drüsen immer noch tadellos funktionieren und man die Hoffnung eben nie aufgeben soll. Vielleicht habe ich ja beim nächsten Mal mehr Glück, wenn bei Goofy wieder Hausputz anliegt ...
* Die früh verstorbene Nina von Porembsky war die Tochter von Alexa von Porembsky, die Anastasia in Cinderella sprach. nachträgliche Info: Michael Gebühr verstarb am 7. Juli 2021 |
||||||||||
Der heute 65jährige PD Dr. Habil. Gebühr wanderte jedoch
nur für kurze Zeit auf den Spuren seines Vaters und hat die Schauspielerei längst schon
wieder an den Nagel gehängt. Nach seinem Studium war er von 1972 bis 1976 Assistent am
Institut für Ur- und Frühgeschichte der FU Berlin. Daraufhin wechselte er als Dezernent
für die Eisenzeit und wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Archäologischen Landesmuseum
Schloss Gottorf in Schleswig. Als Experte für die dort ausgestellten Moorleichen hat sich
Dr. Gebühr unlängst einen Namen gemacht. Besonders das berühmt gewordene Moormädchen von Windeby hat es dem Forscher dabei angetan. Seit 2004 mussten die Lexika der Welt
dank seines Spürsinns umgeschrieben werden, da es sich bei der vermuteten jungen Dame in
Wahrheit um einen sechzehnjährigen Jungen handelt. Auch andere Vermutungen und Fiktionen
konnte Dr. Gebühr mit stichhaltigen Beweisen ins Reich der Märchen verbannen.
